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Entwurf für eine Lektüre des grafischen Werks von François Joseph Chabrillat

Von Claude J. Jacquier


Entwurf eines Selbstporträts

François schrieb nur sehr wenig über seine Arbeit. Dieses Schweigen war keine bloße Zurückhaltung, sondern eine bewusste Entscheidung. Er betrachtete, dass alles, was er zu sagen hatte, bereits in den Formen, den Beziehungen und den Dissonanzen seines Werks enthalten war. Zu schreiben wäre gewesen, eine überflüssige Schicht hinzuzufügen. Zu verbalisieren hätte bedeutet, einzugrenzen.
Und doch hinterließ er eine kurze Notiz — einen Satz, fast administrativ im Ton, der als ein verborgenes Manifest erscheinen kann:
"Kurze Vorstellung meiner Arbeit: Hochdruck und verlorene Form. Diese alte und einfache Technik erlaubt es mir, die Kunstgeschichte ebenso wie die zeitgenössische Kunst auf illustrative Weise zu behandeln. Im Allgemeinen arbeite ich an Serien, die Texte beinhalten. Das präsentierte Stück ist eher eine Untersuchung der Technik selbst, mit der Landschaft als Thema."
Es ist wenig. Und doch sehr viel. Denn alles ist schon da: die Technik, die Kunstgeschichte, die Serie, der Text, die Landschaft. Aber in einer minimalen Form, fast von sich selbst abgezogen.
Wenn er sagt, "die Kunstgeschichte illustrieren", wählt er dieses Verb nicht zufällig.Er wählt es wegen seiner doppelten Bedeutung: illustrieren heißt darstellen, aber auch exemplarisch zeigen. Es bedeutet, auf eine bereits existierende Geschichte hinzuweisen und sie durch eine Leerstelle zu verlängern. Bei François wird diese Geschichte zu Rohmaterial: nicht mehr Kontext, sondern Inhalt.Er graviert die Kunstgeschichte selbst — nicht ihre Werke, sondern ihre Überreste, ihre Bilder, ihre Geister.
Man könnte hier Sherrie Levine, Louise Lawler oder auch Thomas Struth erwähnen: Künstler der 1980er- und 1990er-Jahre, die Kunst durch ihre eigenen Repräsentationen, Ausstellungsformen und Diskurse hinterfragen. Doch wo diese Künstler oft auf Fotografie oder Installation zurückgreifen, wählt François die Gravur — das langsame Medium — um sich das, was die Kunst als Bild projiziert, wieder handwerklich anzueignen.
Wenn er sagt, "das präsentierte Stück ist eine Untersuchung der Technik selbst", formuliert er diskret einen weiteren Anspruch: Die Gravur als reflexiver Akt, als Mittel, sich selbst neu zu erzählen und neu zu denken. Die Technik wird zum Thema. Nicht mehr bloß Mittel zur Bildproduktion, sondern geistiges Material zum Erforschen, Erleben, Umgehen.
Dieser kleine Text, einer der wenigen, die er selbst verfasst hat, ist also alles andere als ein Nebengedanke. Es ist ein elliptisches Selbstporträt. Er spricht, indem er schweigt. Er zeichnet eine Kontur, ohne das Zentrum zu füllen. Er tut genau das, was seine Gravuren auch tun: Er überlässt es dem Anderen, zu interpretieren, zu bewohnen, weiterzuführen. Und genau das werden wir jetzt tun.



Einfachheit der Mittel


Im grafischen Werk von François Joseph Chabrillat zeigt sich ein klarer Wille zur Reduktion. Keine Verarmung, sondern eine Rückkehr zu den elementaren Bedingungen der künstlerischen Geste. François liebt keine technische Vermittlung.Er misstraut Maschinen, Schnittstellen und den einschränkenden Wegen der Technologie. Er braucht eine unmittelbare, ursprüngliche Praxis.
Diese Forderung ist nicht theoretisiert — sie ist verkörpert, lebensnotwendig. Sie stellt ihn von vornherein in Gegensatz zu den großen und kostspieligen Apparaten mancher zeitgenössischer Produktionen. Er arbeitet buchstäblich mit dem, was er zur Hand hat.
Doch dieser Wille zur Spontaneität stößt auf einen offensichtlichen Widerspruch: Gravur ist, per Definition, eine technische, vorbereitete, vermittelte Kunst. Es ist die Kunst der Matrize, der Übertragung, der Wiederholung. François weiß das sehr wohl — und genau in dieser Spannung verankert sich seine Praxis. Er leugnet die Technizität der Gravur nicht; er reduziert sie auf das Wesentliche.
Seine Methode: keine Presse, keine Säure, kein Kupfer. Nur Karton, ein Cutter, seine Füße. Der einzige Rest der Tradition: die Walze und die transparente weiße Lackfarbe, die er mit Pigmenten anreichert. Alles andere gehört zu einer absoluten Ökonomie der Geste.
Diese Ökonomie ist kein Zeichen von Mangel: sie ist eine radikale Entscheidung. Er arbeitet direkt auf dem Boden, mit seinem eigenen Körpergewicht. Er steigt buchstäblich auf seine Matrizen, um einen Abdruck zu erzeugen.
Das Bild entsteht aus dem physischen Kontakt — ohne mechanische Vermittlung.

Siehe Seite „Technik“

Text und Bild


Im Werk von François Joseph Chabrillat ist der Text niemals ein Vorwand.Er begleitet das Bild nicht. Er erklärt es nicht.Und doch ist er immer da, eingraviert, gedruckt. Die Beziehung zwischen Text und Bild steht im Zentrum seiner Praxis — doch es ist eine Beziehung der Gleichheit, des plastischen Nebeneinanders, nicht der Unterordnung.
Seine Arbeit steht in einer alten Tradition: der Gravur als Träger von Text, als Mittel der Illustration. Seit den Inkunabeln bis zu den Künstlerbüchern des 20. Jahrhunderts wurde die Gravur oft dazu verwendet, Erzählungen, Gedichte oder literarische Visionen bildlich umzusetzen.
Doch sehr schnell kehrt sich dieses Verhältnis bei ihm um. François betrachtet den Text als ein eigenständiges Bild. Jedes Wort, jeder Buchstabe, jeder Zwischenraum wird zu grafischem Material, zu einem integralen Teil der Komposition. Es geht nicht nur darum, den Text zu lesen, sondern ihn zu sehen — in seiner Form, seiner Dichte, seinem Rhythmus.
Er illustriert keine Texte. Er graviert die Wörter wie er die Formen graviert, mit derselben Intensität, derselben plastischen Strenge.
Er fügt sich hier ein in eine Geschichte der Bild-Text-Beziehung, die von den illuminierten Manuskripten über die humanistischen Embleme, die Kalligramme und den Lettrismus bis hin zu bestimmten zeitgenössischen Praktiken wie denen von Cy Twombly, Barbara Kruger oder Jenny Holzer reicht.
Doch bei ihm ist dieser Bild-Text niemals demonstrativ. Er ist mentale Materie. Er ist das abstrakte Double des figurativen Bildes.
Text und Bild antworten sich nicht. Sie erklären sich nicht gegenseitig. Sie koexistieren — manchmal im Konflikt. Es ist ein gespanntes Nebeneinander, in dem das eine die Wahrnehmung des anderen stört, ohne es je auszulöschen.
Man versteht das Bild nicht durch den Text, noch den Text durch das Bild. Aber ihre Verbindung erzeugt ein Resonanzfeld, einen beweglichen Raum der Interpretation.
François versetzt den Betrachter in einen Zustand der Latenz: Man muss schauen, lesen, wiederlesen, zurückkehren — so wie wir als Kinder die Schriftzeichen betrachteten, bevor wir lesen konnten.


Quellen und ihr Gebrauch


In seinen Gravuren verwendet François Bilder aus der zeitgenössischen Kunst — jedoch reproduzierte Bilder. Sie stammen aus Fotografien von Katalogen, Fachzeitschriften oder Internetseiten. Es handelt sich nicht um Werke, die er selbst gesehen, erlebt oder physisch konfrontiert hätte — sondern um reduzierte, abgeflachte Abdrücke, gefiltert durch die Vermittlung der Reproduktion.
Von der Inspiration bis zur Realisierung handelt es sich also um eine Kunst der Reproduktion, nicht der direkten Erfahrung. Einen Blick auf das, was die zeitgenössische Kunst als Bild projiziert, mehr als auf das Werk selbst. Eine Ästhetik der Distanz, der Oberfläche, des Spektralen.
In ihm lebt eine Faszination für alles, was die zeitgenössische Kunst darstellt — und dafür, wie sie dargestellt wird. Diese Distanzierung wird für ihn selbst zum Material.
Diesen Bildern sind Textfragmente zugeordnet. Oft entnommen aus der deutschen Literatur — sei es Kinder-, populäre oder klassische Literatur — Karl May, Der Struwwelpeter, Hänsel und Gretel — aber auch manchmal aus der englischen Literatur, etwa Joseph Conrad. Texte, die sorgfältig ausgewählt sind, fast immer wegen ihrer Grausamkeit, ihrer Fremdheit, ihrer Ambivalenz.
Doch es handelt sich nie um ein Verhältnis der Illustration. François sucht nicht die Übereinstimmung zwischen Bildlichem und Sprachlichem. Es ist eine kalte Kollision. Eine gewollte Spannung. Er lehnt den klassischen Code des kommentierten Bildes oder des inszenierten Textes ab.
Man könnte meinen, der Text werde manchmal wie eine neutrale Materie behandelt — ein bloßes ästhetisches Füllmaterial, ähnlich dem lorem ipsum der Setzer. Doch dem ist nicht so. Jeder Auszug wird wegen seiner Resonanz ausgewählt: intim, moralisch, historisch. Diese Texte sind kein kritisches Alibi. Sie sind Ladungen, Zünder.
Darin liegt eine implizite Kritik der Kritik selbst. François verbringt Stunden damit, Ausstellungskataloge und Kunstzeitschriften zu lesen, in denen die Reproduktionen systematisch mit theoretischen Texten versehen sind. Er saugt diese Form — die Verbindung von reproduziertem Bild und kritischem Kommentar — auf, um sie dann zu unterlaufen. In seinen Gravuren übernimmt er dieses Prinzip, aber anstelle des gelehrten Diskurses setzt er literarische Fragmente.
Er weiß, dass jeder Text, der neben ein beliebiges Bild gestellt wird, zwangsläufig einen Bedeutungseffekt erzeugt. Aber er begnügt sich nicht damit. Er sucht eine präzise Spannung, eine bewusste Reibung.
Nichts an seinen Verbindungen ist surrealistisch: sie sind niemals willkürlich. Sie sind lange durchdacht.
Text und Bild antworten sich in seiner Arbeit nicht. Sie prallen aufeinander. Und aus diesem Zusammenprall entsteht ein drittes Element: eine Beunruhigung, ein Schwindel, eine offen gelassene Frage.


Was ich glaube, über seine Arbeit sagen zu können


Wir kannten uns mehr als fünfzig Jahre lang. Gymnasium, Kunsthochschule, gemeinsame Ausstellungen. Eine unmittelbare Freundschaft, geprüft über die Jahre, durch Entfernungen und Wiederbegegnungen. Und heute versuche ich, etwas zu sagen — nicht in seinem Namen, sondern ausgehend von dem, was ich gesehen, gehört, empfunden und geteilt habe.
Wir haben gesehen, dass François unendlich viel Zeit damit verbrachte, Bilder zeitgenössischer Kunst zu lesen, zu betrachten und zu sammeln. Er hatte sich, wie Aby Warburg, sein eigenes „Mnemosyne“-Projekt aufgebaut, und was er betrachtete, war nicht das Werk selbst: es war seine Reproduktion. Nicht das Objekt im Raum, sondern seine gedruckte Spur. Man muss sagen, dass ihn am Anfang seines künstlerischen Werdegangs seine Isolation — fernab der Zentren der zeitgenössischen Kunst — zu diesem intensiven Gebrauch des gedruckten Bildes zwang. Er machte daraus eine Stärke.
Diese Obsession für Reproduktion erinnerte mich oft an Walter Benjamin:
"Was im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks verkümmert, das ist seine Aura."
François, so schien es, sagte: umso besser. Was er liebte, war die abwesende Aura — ja, die negative Aura. Das Bild, das mehr verspricht als es zeigt. Dasjenige, das mehr andeutet als offenbart.
Er träumte sich durch die Werke. Er verlieh ihnen ein Potenzial, das das reale Objekt manchmal enttäuschte. Es war kein Zynismus. Es war seine Art, sich ein begehrtes Objekt auf eigene Weise anzueignen. Ein Glaube an den indirekten Blick.
François ernährte sich also von Bildern — nicht nur aus Notwendigkeit, sondern vor allem wegen der gedanklichen Abwege, die sie ermöglichten. Ihre Unvollständigkeit, ihre Abnutzung, ihre Loslösung vom Originalwerk wurden zu Sprungbrettern für die Vorstellungskraft: Er träumte sich in diese Spiegelungen hinein, er rekonstruierte eine Welt der Kunst nach seinem Maß.
Aber in einem zweiten Schritt gravierte und materialisierte er das, was er aus diesen Reproduktionen entnahm, neu. Durch die dichte Materie seiner Drucke, durch die langsame Geste der Gravur, gab er diesen verlorenen Bildern eine sensible Präsenz zurück, eine Einschreibung in Raum und Zeit. Obwohl seine Gravuren Multiples waren, verlieh die extrem geringe Auflage — fünf bis zehn Exemplare höchstens — jeder Serie eine greifbare Einzigartigkeit.
So gab François paradoxerweise dem, was seine Aura verloren hatte, eine neue zurück. Auf seine Weise verlieh er den Spiegelbildern an der Wand von Platons Höhle eine neue Würde: nicht indem er vorgab, das Original wiederzufinden, sondern indem er die Schönheit des Spiegelbildes annahm und ihm seine begreifbare Tiefe zurückgab. Er war kein Idealist.
Und dann gab es, wie wir gesehen haben, auch sein ambivalentes Verhältnis zu den Kunstdiskursen. Er hatte eine gewisse Bewunderung für diese Diskurse; er las viele kritische Texte; und auf der anderen Seite — denn François war kein einfacher Mensch — liebte er es, sie zu verachten.
François dachte, er könne die oft mühseligen Kritiken auf effektivere Weise ersetzen: durch literarische Texte, die er für die grausamen Resonanzen schätzte, die sie in ihm hervorriefen.
Jetzt, da das Gerüst seiner Arbeit — Bilder, Texte, Reproduktionen — steht, kann man anfangen, ihm Fleisch zu geben.
François hatte ein besonderes Verhältnis zur Kindheit, zu ihrer unschuldigen Grausamkeit, zur Geburt der Schuld, wenn diese Unschuld im Erwachsenenalter schwindet. Ein Beispiel kann diese besondere Haltung verdeutlichen: Er hatte Winnetou von Karl May ausgewählt, weil er irgendwo gelesen hatte, dass es eines der Lieblingsbücher von Adolf Hitler war. Grausame Unschuld. Dies bildete die Grundlage für die meisten seiner Textauswahlen: Unschuld und Grausamkeit — Hänsel und Gretel, Struwwelpeter.
Sein Humor war sehr schwarz; er liebte es, Sarkasmus zu üben, besonders wenn die Erscheinungen von Unschuld, Reinheit oder Moral im Spiel waren. Nichts und niemand hatte Gnade vor seinen Augen. Er konnte den unschuldigsten Seelen die dunkelsten oder verdorbensten Absichten zuschreiben — und er tat es mit einer solchen lustvollen Grausamkeit, dass wir Tränen lachten.
Er wählte sorgfältig die Ausstellungsbilder aus, die er reproduzieren wollte, in Übereinstimmung mit dieser Ausrichtung. Er suchte unter den zeitgenössischen Werken diejenigen aus, in denen er — oder zu glauben meinte — diese Konfrontation von Unschuld und Grausamkeit, aber auch von Zynismus, Manipulation und Verdinglichung der Menschen und der Ideen erkennen konnte.
Manchmal war es treffend, manchmal entfernter, aber er fürchtete sich nicht vor Abweichungen in der Interpretation. Er machte mit diesen entführten Bildern, was er wollte. Um François wirklich gerecht zu werden, muss ich sagen, dass manchmal seine Rüstung aus ätzender Ironie Risse bekam und eine kindliche, unversehrte Spontaneität hindurchscheinen ließ.
Seine Gravur ist die Erfüllung dieser Nostalgie nach einer absoluten Unschuld, befreit von aller Schuld.

Was offenbleibt


Alles, was ich hier zu schreiben versucht habe — und alles, was andere eines Tages sagen könnten — soll François' Werk nicht erschöpfen. Das war nie das Ziel. Man kann ein Werk wie seines nicht abschließen.Man kann sich ihm nur annähern, durch Fragmente, durch Kreuzungen, durch Intuitionen. Er glaubte nicht an Schlüssel, noch an fertige Interpretationsraster. Er misstraute denen, die zu schnell redeten. Er bevorzugte den Zweifel, die Zurückhaltung, den schrägen Blick. Seine Gravuren sagen nichts Eindeutiges. Sie setzen. Sie widersprechen. Sie stellen nebeneinander.Sie entscheiden nicht. Sie lassen ahnen. Sie fordern vom Betrachter eine Anstrengung des Zuhörens — keine Lesung, keine Demonstration, sondern eine Präsenz.
Es gibt keine richtige oder falsche Interpretation eines solchen Werks. Es gibt nur das, was jeder darin sieht, fühlt, konfrontiert. Was jeder hineinlegt — von sich selbst, von seiner Vergangenheit, von seinen Ängsten, von seinen Fragen. Und das ist es letztlich, was ein Werk dauerhaft macht: seine Fähigkeit, sich nicht zu verschließen, seine Art, außerhalb seines Schöpfers zu existieren, seine Kraft, weiterhin Sinn zu erzeugen, ohne ihn je zu fixieren. François wollte kein "Werk" schaffen. Er wollte eine Spur hinterlassen. Eine menschliche Spur, eingraviert, zerbrechlich, hauchdünn, aber beharrlich. Eine Spur, der jeder eine Zeit lang folgen könnte, bevor er einen anderen Weg einschlägt.
Ich glaube, das ist gelungen.